Pinnwand der Träume

Ich sitze im Badezimmer auf dem Boden, weil es hier Fußbodenheizung gibt und ich meine heilige Ruhe habe. Hier höre ich kein «Mamaa» oder «Hey, wo ist das…?» oder «Hast du nicht mein…gesehen?» Dies ist meine Oase des Friedens und der Zufriedenheit. Deshalb habe ich gerade hier im Januar mein Visionboard für dieses Jahr aufgehängt. Ich habe intuitiv (und mit Hilfe des Rotweins) meine Wünsche, Visionen, Sehnsüchte und Träume auf grünes Papier geklebt. Grün, als Symbol der Hoffnung, Frische, neuer Erfahrungen, Energie und des Lebens. Ich habe wahllos Bilder aus meinen gesammelten Zeitschriften ausgeschnitten. In die Mitte habe ich ein riesiges Nashorn geklebt, welches Kraft, Stärke und Ausdauer in dieses Jahr bringen sollte. Ich muss zugeben, dass dieser Wunsch anders verstanden wurde: keine Stabilität, sondern meine Figur, die mit einem gut gebauten Nashorn locker konkurriert.

In dem nebenstehenden Ausschnitt tritt Scarlett Johansson mit zarten Schritten zur Gala, geschminkt und in einem atemberaubenden Abendkleid. Nun, meine Lieben, muss ich sagen, dass mir diese Vision hundertprozentig gelungen ist. Sehr oft marschierte ich mit Raffinesse, Anmut, Schlafanzug und fetten Haaren durch die Wohnung und maulte jeden an, der mir über den Weg lief. Mein Make-up hielte manchmal einige Tage und sogar Nächte lang!

In der Ecke der Pinnwand hing der Spruch: «Währe Dich nicht, wenn Änderungen auf Dich zukommen.» Ja, das habe ich dieses Jahr wirklich geübt: Eintritt nur mit Mundschutz – Eintritt auch ohne Mundschutz möglich, singen ist erlaubt – singen ist verboten. Schule ist auf – Schule ist geschlossen. Die Tests sind wirksam – die Tests taugen nichts.

An der Pinnwand war Meer, Ferne und Reisen. Ja, gereist bin ich dieses Jahr auch viel: die Strecke: Schule – Arbeit – Schule – nach Hause und ins Bett habe ich mit großer Begeisterung jeden Tag genossen. Den größten Nervenkitzel erlebte ich aber während unserer 14-tägigen Quarantäne, als ich mit dem Hund ums Haus kursierte.

Wobei… dieses Jahr habe ich unsere Insel gründlichst erkundet, bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Ich bewunderte die Weinberge und die tausenden Farben der Weintrauben. Ich spazierte auf den Hochwart-Hügel, wo im Frühjahr ein Café eröffnet wurde und genoss Chai-latte und den grandiosen Preiselbeerkuchen. Im Sommer gingen wir dort mit dem Hund spazieren, tranken ein Glas Wein und beobachteten die wunderschönen Sonnenuntergänge.

Im Herbst wateten wir durch das Laub und im Winter war mein Sohn dort kurz atemlos, als er mit dem Bob runtersauste.

Dieses Jahr hat mich gelehrt, dass es keinen Sinn macht, irgendetwas zu planen. Aber sich was erträumen, das werde ich weiter, nur auf einer anderen Art und Weise. Ich werde in diesem Jahr nicht an bestimmten Orten oder Erlebnissen festhalten, sondern mein Visionboard wird mit Kleinigkeiten beklebt, die man überall erreichen oder erleben kann. Und ich werde Blau als Grundfarbe verwenden. Die Farbe des Friedens, die, die uns nach innen, mehr zu uns, lotst. Die Farbe, die ich sehe, wenn ich zum See gehe, und die jeden Morgen am Himmel ist, egal, was kommt. Und dafür bin ich dankbar, dass ich hier bin und jeden Tag diese Farben sehen darf.

Ich wünsche uns allen, dass wir die Lektionen dieser Jahre mit Leichtigkeit nehmen und die Schätze, die wir in der Ferne entdecken wollten, bei uns und in uns entdecken.

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Visionboard ist eine Technik, die uns helfen kann zu visualisieren, was wir wollen, was unsere Ziele, Wünsche und Träume sind.

Anleitung

1. Reservieren sie eine Stunde für sich.

2. Schließen Sie sich an einem ruhigen Ort ein (Utopie, oder?). Legen Sie Ihre Lieblingsmusik auf, zünden Sie ein paar Kerzen an und kochen Sie sich einen Tee (oder schenken sie sich ein Glas Rotwein ein).

3. Sie benötigen: ein großes Papier (wenn sie kein großes Papier haben, nehmen Sie ein Stück Pappe), Schere (wenn Sie keine Schere haben, nehmen sie ihre Zähne), Klebstoff und Zeitschriften/Zeitungen/Werbeprospekte.

4. Denken Sie darüber nach, wie Ihre Traumzukunft aussehen soll, was Sie glücklich macht, wovon (oder durch wen) sie Gänsehaut bekommen, wenn Sie daran denken. Und nun einfach durchblättern, ausschneiden, kleben und TRÄUMEN!

5. Es liegt an ihnen, welchen «Pinnwandstyle» sie wählen. Sie können ihr Visionboard in Familie-Arbeit-Freizeit unterteilen oder sich einfach nur für ein „intuitives Freestyle“ entscheiden. Aber wundern Sie sich dann nicht, wenn ein Dickhäuter in der Mitte hängen bleibt.

Auf jeden Fall lasse ich mich überraschen, wie das Jahr 2022 sein wird…

Schöne Visionen Euch allen!

Autor: Dipl.-Psych. Eva Němečková

Studium Psychologie in Konstanz

Kinder- und Jugendpsychiatrischerin Spital Thurgau

Sie befasst sich unter anderem mit der Forschungsentwicklung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern

Beitrag: Wach auf und werde größer, kleiner Samen

Ich wurde von CzechIn Český dům Zürich gefragt, ob ich etwas zur jetzigen Situation aus Sicht einer Kinderpsychologin schreiben könnte. Ich sitze gerade an der Heizung, wärme meinen Rücken und beobachte meinen Sohn, der seit halb sieben wach ist und auf deutsch „Mama, du bist ein Schweinchen“ ruft. Es sei unfair, dass ich am PC „spielen“ darf und er nicht. Ich bin genervt und überlege, wie es soweit kommen konnte.

Vor drei Wochen – oder schon einem Monat – wurden aufgrund der Corona-Situation die Kindergärten und Schulen geschlossen. Im Internet wird oft darüber berichtet, wie wir die Zeit ohne Besuch der Lehrinstitutionen mit Kindern zuhause genießen sollen, wie man die angespannte Situation in eine positive umwandeln kann. Bei uns Zuhause funktioniert das aber häufig nicht! Es ist anstrengend, stressig und ermüdend. Wir gehen weiterhin – etwas komprimiert – zur Arbeit, reichen uns den Sohn hin und her und ich staune nur über meine ToDo-Liste, die ich vor ein paar Wochen entworfen habe: „ich werde die Zeit nutzen, um meinen Sohn zu lehren, ihm feste Tagesstrukturen geben und ihm endlich beibringen, sich die Zähne im Badezimmer anstatt durch die Wohnung laufend, zu putzen“. Ebenso wollte ich mit ihm konsequent nur auf tschechisch sprechen, damit er nun endlich mehr in meiner Muttersprache sagen und verstehen kann. Wie ihr aus dem ersten Satz entnehmen könnt, spricht er mit mir weiterhin fröhlich deutsch.

Wir fühlen uns in dieser Zeit sehr angespannt, unsere Familien, Freundschaften und die Arbeit werden auf eine harte Probe gestellt. Neulich, als ich mich sehr müde fühlte, beschloss ich, meinen Sohn nicht mehr aktiv fördern zu wollen, ich dachte, ich lasse ihn nun verwildern. Am Anfang baute er sich ein Beduinenzelt auf, welches er, durch eine tollpatschige Bewegung, kaputt machte. Sein Zelt brach zusammen, mein Sohn auch. Es war mir egal, ich habe ihn bei seiner Emotionsregulation kein bisschen unterstützt (hiermit schicke ich eine Entschuldigung an unsere Nachbarn). Ich beobachtete ihn nur. Nach einer Weile fand er einen Apfel, in dem er herumstocherte. Er popelte einen Samen heraus.

Meine Güte, er langweilt sich so arg, dachte ich. Danach verschwand er für eine Weile und kam wieder, mit einer Tasse voller Erde, in die er den Apfelsamen einpflanzte. Ich war stolz auf ihn und mir wurde in diesem Moment etwas bewusst: Wir müssen die Kinder nicht um jeden Preis aktiv fördern. Es scheint, als sei es schon so vorprogrammiert, sie schaffen es von alleine. Ähnlich wie der Samen, den er seither jeden Tag vorsichtig gießt und beobachtet, wie er keimt und wächst. Und deswegen würde ich Ihnen, liebe Eltern, gerne eine Methode vorstellen, die ich in dieser angespannten Zeit als eine wertvolle Strategie erachte: „WWW“: WATCH, WAIT AND WONDER. Seien Sie nicht aktiv, beobachten Sie, warten Sie und freuen Sie sich daran, was da vor Ihren Augen wächst.

Ich wünsche Ihnen Kraft, Gesundheit und gute Nerven!

Die WWW Methode

Nein, damit meine ich nicht den Anfang einer Internetadresse, sondern es handelt sich hierbei um die Abkürzung einer Kommunikationsstrategie, die Ihnen manch anstrengende Tage mit ihrem Nachwuchs ein bisschen erleichtern könnte. Vergessen Sie allerlei Hilfsmittel die versprechen, dass sie ihrem Kind den Intelligenzquotienten erhöhen werden. Bei der WWW Methode benötigen sie absolut nichts, außer das, was meiner Meinung nach das Wichtigste für die Kinder ist: Ihre Zeit, Aufmerksamkeit und eine bewusste Entschleunigung.

Spieltherapie

Das psychotherapeutische Programm WWW wurde ursprünglich für Kinder mit Bindungsproblematik entwickelt. Dennoch denke ich, dass es von Eltern genutzt werden kann, die durch die Corona-Virus-

Situation viel Zeit mit Ihren Kindern zuhause verbringen. WWW ist eine Form von freiem Spiel und stärkt die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind.

Manchmal haben wir Eltern weniger Geduld als unsere Kleinen. Wir wollen ihnen oft etwas rasch und effektiv beibringen oder schnell für Sie ein Problem lösen: Hauptsache, es gibt bald Ruhe. WWW basiert darauf, dass das Elternteil eine passive Rolle einnimmt und die Führung im Spiel oder der Tätigkeit dem Kind überlässt. Das Kind entscheidet, was, wie und in welchem Tempo gespielt wird und geschieht. Die Eltern warten auf die Impulse des Kindes und stellen durch ihre Passivität einen optimalen Raum her, für seine Entwicklung. Die Eltern gewinnen dadurch einen Abstand, sind in einer Beobachterrolle, sind Begleiter und haben Einsicht darin, wie ihr Kind die Welt erkundet und somit lernt. Das Kind tut dies aber in seinem Tempo und nach seinen Bedürfnissen ausgerichtet. Es entwickelt hierbei Ideen und findet Lösungsstrategien, auf die wir Erwachsenen oft nicht kommen würden. Der Elternteil ist bei WWW in einer „Kommentatorenrolle“ und versucht zu verbalisieren, was das Kind tut und erlebt. Er wird hierbei, wie ich gerne sage, zu einem „Fan“ seines Kindes.

Interview mit Hana Hurábová, Gründerin von "Our Swiss Experiences“.

Ich bin Hanka (tja, eigentlich heisse ich Hana, aber Hanka gefällt mir viel besser 🙂 ) ich bin eine ehemalige HR-Beraterin und jetzt bin ich Vollzeit-Mama. Ich komme aus Tschechien, aber seit November 2014 lebe ich mit meinem Mann und unseren drei Kindern in der Schweiz. Meine Leidenschaft mit diesem Blog ist es, allen zu helfen, die die Schweiz entdecken wollen.

Was ihr in diesem Blog finden könnt – Geniesst die Schweiz mit mir

  • Reisetipps für die Schweiz – interessante Wanderwege sowie Indoor-Aktivitäten – hauptsächlich im Kanton Bern (es ist ganz logisch, weil wir hier wohnen :)), aber manchmal zögern wir nicht, weiter zu gehen 🙂
  • Praktische Informationen – Sind die Wege für Kinderwagen geeignet? Kinder welchen Alters können diese Wanderung bewältigen? Gibt es Spielplätze oder Brätlistelle? Werden die Kinder den Besuch dieses Museums geniessen? etc.
  • Interessante Informationen, die man  in Reiseführern nicht findet
  • Ein Blick ins Leben mit 3 Kindern in der Schweiz  – Sprechen deine Kinder eine Fremdsprache besser als du? Verzweifle nicht und lies diesen Beitrag! Und wie ist es in der Schweiz mit Schulen und Kindergärten?
  • Ferienstipps im Ausland – weil nicht nur die Schweiz schön ist.
  • Interessante Interviews mit Menschen, die eine Beziehung zur Schweiz haben.

10 Fragen von Marcel Proust

  • Was ist dein Lieblingswort? – Möchtest du etwas Wein?
  • Was ist dein am wenigsten geliebtes Wort? – Moment mal – ich für die Kinder, Kinder für mich
  • Was begeistert dich? – Wenn wir irgendwohin fliegen und uns dem Flughafen nähern
  • Was stösst dich ab? – Unordnung in der Wohnung
  • Welches Geräusch oder Lärm magst du? – Das Lachen meines Mannes
  • Welchen Geräusch oder Lärm hasst du? – Nägel die an einer Tafel kratzen
  • Was ist dein Lieblingsfluchwort? – „indenarscharbeit“ (aus dem Tschechischen wörtlich übersetzt „doprdelepráce“, bedeutet so viel wie Scheisse)
  • Welchen anderen Beruf als deinen eigenen möchtest du ausüben? – Ich möchte Moderatorin oder Ermittlerin bei der Polizei in der Mordkommission sein
  • Wenn der Himmel existiert, was möchtest du Gott sagen hören, wenn du an dem Himmelstor ankommst? – Du hast ein gutes Leben geführt

Interview

Vielen Dank für die Zeit, die du dir, dank des Interesses deiner Familie an Sportsendungen und damit des siegreichen Kampfes um den Laptop, für uns nehmen konntest.

Ihr habt kürzlich 6 Jahre in der Schweiz gefeiert – Du sagtest auch, du hättest nie gedacht, dass ihr so lange hier bleiben würdet.

  • Der ursprüngliche Plan war, nur für ein Jahr hierher zu kommen – mein Mann hatte einen Vertrag für ein Jahr mit einer möglichen «Option», wie es in der Sportwelt genannt wird, was bedeutet, dass er einen Vertrag auf unbestimmte Zeit erhält, wenn er seine Leistung gut ist. Unsere Entscheidung war also im Sinne von «Lass uns gehen, lass es uns versuchen, sehen, was nächstes Jahr passiert». Und nach diesem Jahr hat mein Mann wirklich einen Vertrag auf unbestimmte Zeit bekommen, und dank dem sind wir immer noch hier.

Und wie alt waren eure Kinder, als ihr umgezogen seid?

  • Der ältere Sohn war fünfeinhalb Jahre alt und er ging in Tschechien in den Kindergarten, der jüngere war zweieinhalb Jahre alt, und ich war mit ihm im Mutterschaftsurlaub. Und die Tochter wurde hier geboren. Aber natürlich hat sie die tschechische Staatsbürgerschaft, denn wenn man hier geboren wurde hat man nicht automatisch eine Schweizer Staatsbürgerschaft. Wir sind also alle noch Tschechen mit einem tschechischen Pass.

Dies bringt mich nun zu einer „persönlichen Frage», wie du es in deinem Podcast sagst: Wenn die Tschechische Republik in der aktuellen politischen Situation sagen würde, dass du keinen doppelten Pass / doppelte Staatsbürgerschaft mehr haben kannst und die Schweizer sagen würden, dass du hier nicht ohne einen Schweizer Pass leben kannst, was würdest du wählen? Würdest du wegen deines Reisepasses ausziehen?

  • Dies ist eine ziemlich schwierige Frage. Ich hätte wahrscheinlich gerne einen Schweizer Pass (wenn die Schweizer Seite die Ausstellungsverfahren für die Tschechen vereinfachten würde). Viele Landsleute haben, nach dem sie hierher ausgewandert sind und einen Schweizer Pass erhalten haben, die tschechische Staatsbürgerschaft verloren. Aber ich hätte gerne einen Schweizer Pass für die Kinder. Wenn ich es mit Sport in Verbindung bringe, wäre es für unsere Kinder viel einfacher, hier mit einem Schweizer Pass Hockey zu spielen. Wenn sie hypothetisch ein professionelles Niveau erreichen würden, würden sie durch den tschechischen Pass und die damit verbundene «Lizenz» stark eingeschränkt, da nur eine bestimmte Anzahl lizenzierter Spieler in jedem Verein spielen kann. Das würde den Wettbewerb für sie erschweren. Und natürlich wegen der Schule, damit sie die hier beenden können.

In deinem Podcast erwähnst du, dass dein Sohn sein Tschechisch bereits mit einem Akzent verfärbt hat. Glaubst du, dass dir das auch passieren kann? Und wenn das der Fall wäre, wie würdest du damit umgehen? Wenn dich zum Beispiel jemand in Tschechien fragen würde: «Aber Sie sind nicht von hier, oder?»

  • Ich muss zugeben, dass ich bereits gerne Deutsch für die schnelle Kommunikation mit Kindern verwende, anstatt nach einem tschechischen Begriff zu suchen und ihn manchmal sogar Kindern erklären zu müssen. Deutsch ist für unsere Kinder schliesslich natürlicher. Ich denke, das kann mir passieren. Obwohl ich sage, dass ich kein musikalisches Gehör habe, denke ich, dass ich den Tonfall ziemlich gut höre, und es kann mir passieren, dass ich einen leichten Akzent bekomme. Und es muss nicht in einer Fremdsprache sein. Vor ein paar Jahren war ich zufällig mit meinen Eltern in Mähren, meine Mutter und ich gingen spazieren und ich hatte plötzlich einen Arbeitsanruf von einem Kollegen aus Prag. Nach ein paar Minuten, als ich den Anruf beendete, sah mich meine Mutter überrascht an und fragte mich, ob ich wüsste, dass ich mit einem Prager Akzent gesprochen hatte. Damals wurde mir klar, dass es mir passieren könnte, dass ich versuche, den «Akzent» der anderen Partei für eine einfachere und schnellere Kommunikation zu erfassen. Und wenn ich, Gott bewahre, jemals so schlecht Tschechisch spreche, dass mich jemand fragte: «Aber du bist nicht von hier, oder?» Ich glaube, ich würde mich schämen, meine Muttersprache zu verlieren und würde mich bemühen wieder mein altes Niveau zu erreichen. Andererseits wäre es ein Kompliment für mich, wenn mich jemand auf der Strasse mit Kindern auf Deutsch oder Schweizerisch sprechen hörte und mich fragte, aus welchem ​​Teil der Schweiz ich stamme.

Tschechisch ist deine Liebe. Im Allgemeinen bist du auch kommunikativ und lebst in der Nähe von Bern. Dank deinem HR-Beruf verfügst du bereits über umfangreiche Kenntnisse. Du bist offen, diplomatisch und weisst, wie man in der Öffentlichkeit auftritt. Wie wäre es für die Botschaft zu arbeiten? Und in welcher Position?

  • (lacht) Aber ich bin überhaupt nicht diplomatisch, ich mag so aussehen, aber ich könnte auf keinen Fall Diplomatin sein. Ich rede gerne, viel und manchmal auch schneller als ich denke. Nein, aber jetzt im Ernst. Als wir in die Schweiz kamen, war es wirklich mein Traum, in der Botschaft zu arbeiten. Weil es nah war und auch weil ich noch kein Deutsch sprach und deshalb fand ich die Idee hier auf einer tschechischsprachigen Insel zu sein und zu arbeiten, sehr verlockend. Projektmanagement reizt mich sehr. Ich würde wahnsinnig gerne helfen Veranstaltungen für die Tschechen in Bern zu organisieren, und ich würde diese Zusammenarbeit wirklich mögen.

Was ist deiner Meinung nach erforderlich, um mit der schweizerischen Verschlossenheit umzugehen, von der du in deinem Podcast sprichst?

  • Wenn ich so darüber nachdenke, macht mir die schweizerische Verschlossenheit eigentlich nichts aus. Äusserlich mag ich extrovertiert erscheinen, aber innerlich bin ich ein introvertierter Typ. Ich bin gerne allein, ich muss mit niemandem reden. Zum Beispiel jogge ich gerne alleine und brauche niemanden, der sich dabei mit mir unterhält. Die schweizerischen Verschlossenheit stört mich in dem Sinne, dass es schwierig ist, Freundschaften zu schliessen. Aber dann schätzt man es umso mehr, wenn sich jemand öffnet. Und ich möchte, dass es von diesen Leuten alleine kommt, denn dann habe ich das Gefühl, dass es in ihrem Interesse und nicht die «amerikanische» Oberflächlichkeit ist. Deshalb muss ich nicht dagegen ankämpfen. Ich verstehe sie, weil ich auch nicht unbedingt und um jeden Preis mit allen reden muss. Es geht immer noch darum, wer menschlich zu dir passt. Ich muss also nicht viele Freunde um mich haben, sondern nur einen, mit dem ich mich hinsetzen, reden und verstehen kann.

Und beobachtest du einen Unterschied zwischen der Offenheit / Nähe der Tschechen und der Schweizer?

  • Ich denke, dass es in Tschechien schneller geht, Bekanntschaften oder Kontakte zwischen Fremden herzustellen. Weil die Schweizer zurückhaltender und sehr höflich sind, wollen sie niemanden stören. Ich glaube auch nicht, dass sie grosse Emotionen zeigen, oder sich vor Fremden laut über etwas beschweren wollen. Ich denke, dass Tschechen in der Kommunikation schneller zu «hitzigen» Themen kommen, die sie zum Beispiel durch aktuelle Ereignisse bewegen. Sie müssten, selbst vor scheinbar unbekannten Menschen, darüber sprechen und alles emotional diskutieren. Und wenn man ihnen zustimmt, ist man bereits ein Freund.

Was macht es deiner Meinung nach möglich, dass sich die Menschen im neuen Land zu Hause fühlen? Was ist der Hauptfaktor oder die Hauptfähigkeit, die das Gefühl von Zuhause nach dem Umzug in ein anderes Land möglich macht?

  • Wenn ich es direkt auf mich beziehen darf, war es für mich das Gefühl dass meine Familie hier ist. Ja, natürlich habe ich einen grossen Teil der Familie in Tschechien zurückgelassen, aber für mich ist meine «Wurzel» der Familie mein Mann und unsere Kinder. Und was die Dinge betrifft, wollte ich, obwohl wir vieles in Prag zurückgelassen haben, unser grosses Sofa mitnehmen. Es war immer eine Art Hafen. Wir alle passten bequem darauf, kuschelten die Kinder an uns. Deshalb war es mir zum Beispiel wichtig es auch nach dem Umzug dabeizuhaben. Aber bei jedem ist das anders. Jemand kann sich aufgrund der Dinge, die ihn mit seinem alten Zuhause verbinden, wie zu Hause fühlen. Es ist eine Sache der Einstellung zu akzeptieren, dass man sich in einem anderen Land zuhause fühlen kann, als in welchem man geboren wurde. In der Lage zu sein, das neue Land mit allen darin enthaltenen Regeln zu respektieren und es so zu akzeptieren, wie es ihn akzeptiert hat. Er muss es in dem neuen Land mögen wollen, er muss den Willen und die Entschlossenheit haben, sich in diesem Land zu Hause zu fühlen.

Wen würdest du gerne in deinen Podcast einladen?

  • Ich möchte jemanden einladen, der 1968 in die Schweiz ausgewandert ist. Damals hat die Schweiz viele Tschechoslowaken aufgenommen und ich möchte ihre Geschichten hören und kennenlernen. Ich frage mich, wie genau sie es geschafft haben, auszuwandern – über die Vorbereitungen, wie sie es technisch gemacht haben, was sie überwinden mussten, was folgte, als sie hierher kamen, wie es für sie war zu wissen, dass sie ihre Familie vielleicht nie wieder sehen würden. Auch wie das Zusammentreffen dann war und nach wie langer Zeit es erfolgte.

Was wünschst du dir für die in der Tschechischen Republik lebende Tschechen?

  • Dass die aufhören so Schvejkisch (Charaktereigenschaften von „der brave Soldat Schwejk“) zu sein. Die Regeln so akzeptieren wie sie sind, ohne sie in irgendeiner Weise umgehen zu wollen. Es ist vielleicht eine Art von Verhalten, das seinen Ursprung im vorherigen Regime hat, obwohl die Frage ist, ob es nicht schon viel früher in der tschechischen Kultur war. Wahrscheinlich wird die tschechische Kultur es nicht einfach loswerden können. Ich hätte auch gerne einen repräsentativen Präsidenten. Ich hätte auch gerne eine effizientere Bürokratie. Ich mag die Schweizer Effizienz bei der Einstellung von Prozessen und die Einfachheit des Systems. Zum Beispiel, dass der Führerschein per Post geschickt wird, ohne ins Büro laufen zu müssen. Die unkomplizierte Abwicklung der staatlicher Unterstützung bei der Einführung von Kurzarbeit, oder die Bearbeitung von Krediten während der Coronavirus-Krise usw. Einerseits ist die Vernetzung ein bisschen orwellistisch gefährlich aber Hauptsache ist, dass es funktioniert. Im Gegenzug dazu möchte ich nicht, dass die Tschechen ihre erstaunliche Fähigkeit zum Improvisieren und ihre Fähigkeit, aus dem Nichts etwas zu machen, verlieren.

Was wünschst du dir für Tschechien?

  • Dass das Land gedeiht und der kommenden Wirtschaftskrise standhält, in die wahrscheinlich alle Staaten nach der Pandemie fallen werden. Dass es das Potenzial, das die Tschechische Republik in sich trägt, zeigen und herausholen kann. Weil ich immer noch denke, dass wir eine ausgezeichnete Gesundheitsversorgung, kluge Leute, die es irgendwo auf der Welt geschafft haben und wir ein sehr gutes Bildungsniveau und Zugang zur Bildung im Allgemeinen haben.

Was hält sie zurück?

  • Wahrscheinlich genau das tschechisch schvejkische. Aber auch die Bremsen in der Bürokratie. Auch das tschechische Naturell, dass wir es nicht gewohnt sind, in Superlativen über uns selbst zu sprechen, wie es beispielsweise Amerikaner können. Im Gegenteil, manchmal machen wir uns unnötig klein und ertrinken in Fragen darüber, was andere über uns denken. Einerseits wollen wir weltlich sein, aber dann «knocken» wir uns selbst mit etwas raus. Es ist auch in den Themen ersichtlich, die von den Mainstream-Medien in der Tschechischen Republik im Gegensatz zu der Schweiz behandelt werden. Hier wirkt es auf mich eher so, dass man sich mit mehreren Themen befasst und nicht nur in einem Thema herum wühlt das gerade die Welt bewegt (ob es sich um die Corona Krise oder die US-Präsidentschaftswahlen handelt).

Was wünschst du dir für die Tschechen in der Schweiz?

  • Dass sie sich von der tschechischen Wahrnehmung der Welt befreien, aus ihrer Blase herauskommen und die Sprache lernen wollen, damit sie die lokale Kultur besser verstehen können. Ich sage nicht, dass sie ihr Weltbild um jeden Preis ändern müssen, aber sie könnten versuchen zu verstehen, dass es irgendwo anders auch funktioniert. Auch dass sie sich nicht so sehr über alles beschweren und versuchen, andere Kulturen zu verstehen.

Wann hast du gemerkt, dass du deine Blase verlassen hast?

  • Am Anfang lebte ich hier  wirklich in einer Art Blase. Ich kannte die Sprache nicht und konnte mich nicht in das Geschehen einbringen, ich kannte zum Beispiel das lokale politische System nicht. Aber als ich einen Deutschkurs begann und die Lehrerin uns viele interessante Dinge erzählte, suchte ich selbst nach neuen Informationen, folgte den Medien und erweiterte meinen Horizont. Und wir sind wahrscheinlich aus der Blase herausgekommen, als wir herausgefunden haben, dass hier verschiedene Kulturen Seite an Seite funktionieren können – Kinder gehen mit Tamilen, Serben, Albanern, Türken zur Schule und alle unterhalten sich auf Schwiizerdütsch miteinander.

Ich denke, es dauerte ungefähr zwei Jahre, bis uns klar wurde, dass sich unser Verständnis der Welt verändert hatte und dass wir aus unserer Blase herausgekommen waren.

Du hast ursprünglich begonnen, deinen Reiseblog als Tagebuch zu schreiben. Jetzt ist er bei vielen beliebt, nicht nur als Familien-Reiseführer, sondern auch als ausgezeichnete Lektüre. Es ist kein privates Tagebuch mehr, sondern ein offener Text über einen Teil deines Lebens, der für die breite Öffentlichkeit zugänglich ist. Kannst du dir vorstellen, mit anderen «Redakteuren» zusammenzuarbeiten? vielleicht auch zu anderen Themen? Was könnten die Hindernisse oder Herausforderungen sein und was würdest du dabei gut finden?

  • Mein Traum war es, ein Buch mit diesen Erfahrungen zu schreiben … aber ob es dann jemand interessiert ist eine andere Sache (lacht). Schreiben ist für mich eine bessere Möglichkeit, mich auszudrücken, und dabei möchte ich bleiben. Ich möchte vielleicht nicht einmal mit jemandem in meinem Blog zusammenarbeiten, auch wenn es egozentrisch klingt. «Our Swiss Experiences» gehört mir, mein ausgearbeitetes Projekt, in das ich meine Gedanken und meinen Schreibstil einbringe, an den die Leser gewöhnt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, die Stile anderer Leute in das Projekt einzubeziehen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich weitere Themen hinzufügen möchte. Ich kann mir eher vorstellen, aus dem Format Blog auszutreten und beispielsweise in Schulen, auf Reisekonferenzen oder Webinaren Vorträge zu halten. Zum Beispiel habe ich kürzlich einen Reiseführer für ein tschechisches Reisebüro über die Schweiz geschrieben. Ich würde wahrscheinlich diese Art der Zusammenarbeit geniessen, bei der ich mein Wissen ausserhalb meines Blogs weitergeben könnte. Kurz gesagt, ich würde definitiv gerne andere Aktivitäten machen, aber ich möchte unsere «Our Swiss Experiences» mit niemandem teilen. Dies ist mein viertes Kind.